Radtour am Rand der Appenzeller Berge
Rorschach ist die östlichste und zugleich südlichste Stadt am schweizerischen Bodensee. Nach den amtlichen Angaben hat sie nur etwa 10 000 Einwohner, aber das städtisch dicht besiedelte Gebiet zwischen Tübach und Altenrhein mit dem St. Galler Flughafen hat mehr als doppelt so viele.
In früheren Jahrhunderten war die Stadt schon der Hafen für St. Gallen und für den Warenverkehr zwischen Oberschwaben und Italien. Das frühere Kornhaus am Hafen (Mitte des 18. Jhs.) gilt als der schönste barocke Kornspeicher der Schweiz und beherbergt heute das Stadtmuseum. Die frühindustrielle Blütezeit der Stadt zeigen auch die reich mit Erkern verzierten Häuser in der Hauptstrasse. Aus der Frühzeit des Badetourismus stammt die westlich des Stadtzentrums auf Pfählen im See stehende Badeanstalt, zusammen mit der von Bregenz die letzte ihrer Art am See.
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Wir fahren zunächst gemütlich am See entlang, am Strandbad vorbei bis zum Bahnhof Staad, dann die Thalerstrasse etwas steil hinauf zur Christ-König-Kirche. Der bemerkenswerte burgartige Bau auf dem Wartbüchel (440 m) bietet mit dem Blick über Altenrhein und den östlichen Bodensee einen ersten Vorgeschmack auf die Aussicht, die wir im Verlauf der Tour immer wieder haben werden, ist aber auch von der Architektur aus den späten 60er Jahren einen Besuch wert. Auf derselben Straße geht es weiter durch den Ort Buechen, dann mit mittlerer Steigung über die Autobahn und bei der Kreuzung nach dem Restaurant „Steinerner Tisch“ rechts in die weiter ansteigende Wartenseestrasse. Diese führt angenehm kühl durch den Wald, unterquert die Bergbahn Rorschach-Heiden und erreicht beim Ortsschild „Rorschacherberg“ das Schloss Wartensee (560 m) das sich nicht nur wegen der Aussicht für einen Halt anbietet.
Schloss Wartensee war vom 13. bis 18. Jahrhundert Sitz der sankt-gallischen Ministerialien von Wartensee, seine heutige neugotische Form erhielt es um 1850. Seit der Sanierung in den 90er Jahren ist es ein Tagungs- und Begegnungszentrum der reformierten Kirche des Kantons St. Gallen. Im Park befinden sich ein kleiner See und ein begehbares Labyrinth.
Die Straße steigt wieder leicht an und durchquert eines der Villengebiete um Rorschach, die zeigen, wo die begehrten Wohnlagen sind, hier mit interessanten Neubauten. Wir queren die Heidener Strasse, die Rorschach mit dem schönen Kurort Heiden verbindet, kurz darauf einen Wanderweg zum „Fünfländerblick“. (Wer bei guter Sicht erfahren will, welche fünf Länder man von dort sieht, kann das Rad abstellen, in etwa einer Stunde hinaufsteigen, oben einen Kaffee trinken und wieder absteigen.) Wir überqueren einen der Tobel des Rorschacher Bergs und erreichen in einem kleinen Wald das hochmittelalterliche St. Anna-Schloss (670 m, Privatbesitz).
Bei der Kreuzung (Bushaltestelle St. Anna-Schloss) geht es schräg rechts weiter, beschildert Richtung Goldach, auf den nächsten beiden Kilometern parallel zur Autobahn, zuerst unten durch, gleich links (Wittenholzstrasse) und wieder unten durch; nach dem Wittenwald über die Autobahn, gleich links (Egertenstrasse) und wieder drüber hinweg. Das hört sich schlimmer an, als es in der Realität ist, und bietet die Möglichkeit, ohne nennenswerte Steigungen die nächsten landschaftlichen Höhepunkte zu erreichen.
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Über eine Brücke gelangen wir schließlich wieder auf die Bergseite der Autobahn und sehen vor uns das auch Möttelischloss genannte Schloss Sulzburg (550 m, 13. Jh.), auch dieses in Privatbesitz. Hier heißt es jetzt die Räder schieben, auf einem etwas steilen, nicht befestigten Fahrweg, aber damit ersparen wir uns einen Umweg und 100 Höhenmeter runter und wieder rauf. Oberhalb der Burg führt der Weg am Schlossweiher vorbei, der von großen Schilfgürteln umgeben ist und mit diesen unter Naturschutz steht; ein großes Schild westlich des kleinen Sees erklärt das Biotop. Den Höhenrücken, der ihn vom seeseitigen Hang trennt, können wir für eine schöne Panorama-Rast nutzen. Wir erreichen die von Goldach heraufkommende Landstraße und fahren auf dieser leicht ansteigend nach Untereggen. Wer noch Bedarf an weiteren Burgen hat und gut in Form ist, kann gleich dem nach links weisenden Schild „Alte Burg“ (670 m, Waldschenke) folgen.
Im Ortsteil Vorderhof (barocke Pfarrkirche links oben) überqueren wir die 600-Meter-Linie, und mit der Höhe und der Entfernung vom Bodensee ändert sich auch die Landschaft und der Charakter der Dörfer. Über Mittlerhof und Hinterhof geht die mäßig befahrene Straße fast eben weiter, bis sie den Wald erreicht und mit schönem Gefälle ins Tal der Goldach hinabführt. Vor der Martinsbrücke (570 m, Jakobsweg) kommt von links die Straße von Heiden und bringt etwas mehr Verkehr. Das müssen wir jetzt ebenso in Kauf nehmen wie die Steigungsstrecke nach der Brücke, denn der Goldach-Tobel wird zwischen St. Gallen und Goldach von keiner einzigen Straße überquert. Aus dem dichten Wald kommen wir etwas unvermittelt in die Außenbezirke von St. Gallen, das sich hier mit großen Wohnblocks und Industrieanlagen von der weniger einladenden Seite zeigt.
An dieser Stelle gibt es zwei buchstäblich entgegengesetzte Möglichkeiten: rein oder raus! Entweder wir fahren geradeaus die drei Kilometer ins Stadtzentrum und gönnen uns ein paar Stunden Kultur. Oder wir biegen rechts ab, überqueren die Autobahn und die Rorschacher Strasse und fahren den Guggeien-Hügel (670 m) hinauf, wo die Welt schon wieder ziemlich ländlich aussieht und wir auf einen gut markierten Radweg treffen (nach rechts).
St. Gallen (ca. 80 000 Einw.) ist das wirtschaftliche Zentrum und mit seiner Universität und mehreren bedeutenden Museen und anderen Kultureinrichtungen die bedeutendste Stadt der Ostschweiz. Die Stadt geht zurück auf die Einsiedelei, die der irische Wandermönch Gallus hier um 612 gründete. Sie war schon im Mittelalter der Gegenpol zu Konstanz und ist heute etwa gleich groß, macht aber einen eher großstädtischen Eindruck. Das Zentrum liegt schon 670 Meter hoch, so dass St. Gallen eine der höchstgelegenen Städte dieser Größenordnung in Europa ist, und die Außenbezirke ziehen sich bis in Höhenlagen von über 800 Metern, was sie im Winter oft aus dem Nebel herausschauen lässt.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind die ehemalige Stiftskirche, die barocke Kathedrale St. Gallus und Otmar, und die Stiftsbibliothek im Westflügel des ehemaligen Benediktinerklosters. In ihrem berühmten Bibliothekssaal, dem wohl schönsten profanen Rokokosaal der Schweiz, ist noch ein großer mittelalterlicher Buchbestand zu sehen , u. a. eine der Haupthandschriften des Nibelungenlieds. Der gesamte Klosterbezirk wurde 1983 von der UNESCO in das Verzeichnis weltweit einzigartiger, wertvoller und entsprechend erhaltungswürdiger Kultur- und Naturobjekte aufgenommen. Vom Reichtum der Stadt in der frühen Neuzeit künden die zahlreichen mit Erkern geschmückten Bürgerhäuser aus dem 15. bis 19. Jahrhundert. Für ein „Schlechtwetterprogramm“ bieten sich die fünf bedeutenden Museen der Stadt an: Kunstmuseum, Historisches Museum, Naturmuseum, Völkerkundemuseum, Textilmuseum. Die Universität auf dem Hügel nördlich des Zentrums ist dagegen eine Art Freilichtmuseum der modernen Kunst und Architektur, mit Werken von Hans Arp, Georges Braque, Alexander Calder u.a.
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Nach St. Gallen folgen wir den Schildern in Richtung Mörschwil, ein kurzes Stück müssen wir die Strecke wieder mit dem Autoverkehr teilen, bis zu der kleinen Landstraße in das Dorf hinunter. Das Gebiet der Gemeinde Mörschwil (560 m) ist nicht nur im Osten durch das Goldach-Tal begrenzt, das wir schon erlebt haben, sondern ebenso im Westen vom Steinach-Tal, das auf einer Länge von etwa sieben Kilometern (zwischen St. Gallen und Steinach) ebenfalls nur zu Fuß überquert werden kann. Wir biegen nach der barocken Pfarrkirche links ab und folgen den Schildern nach Tübach. Oberhalb des Dorfes sehen wir einen großen Gebäudekomplex, der schon von weitem als Kloster erkennbar ist. Ein Abstecher dorthin lohnt sich wegen des neuromanisch-jugendstilartigen Baus, aber noch mehr wegen der Aussicht auf den See, denn die Franziskanerinnen haben sich da einen schönen Platz ausgesucht. Tübach liegt schon fast wieder auf Seeniveau. Auf der Straße über Goldach nach Rorschach überqueren wir wieder das Flüsschen Goldach und haben auf den letzten beiden Kilometern ein sehr städtisches Umfeld. An der Seepromenade von Rorschach können wir uns von der kontrastreichen Tour erholen.